Rennradtouren in Ligurien 2008

Zum Colle Scravaion und nach Bardineto

Wieder beginnt der Tag mit einem leckerem Frühstück auf der Terrasse. Nach dem gestrigen Pool- und Alassio Besichtigungstag mache ich mich nach erledigtem Küchendienst auf den Weg. Castelvecchio di Rocca Barbena, Bardineto, Colle Scravaion ..., ich bin gespannt!

Castelvecchio

Mittwoch, 30. Juli

Bis Martinetto muss ich dieselbe Strecke wie auf der Tour nach Caprauna fahren. Heute komme ich, ohne mich zu verfahren, durch das Gewühl um Villanova ´d Albenga und Bastia. Ab Martinetto lässt der Verkehr nach, nach Zuccarello habe ich die gut ausgebaute Straße mal wieder fast für mich alleine.

Zuccarello ist ein mittelalterliches Dorf im Val Neva. Eigentlich schade, dass die Straße um das Dorf herum führt. Eine uralte Steinbrücke führt über den Fluß Neva, so könnte ich in den interessant aussehenden Ort fahren. Aber ich bin erst am Anfang meiner Tour und habe keine Ahnung, wie lange ich unterwegs sein werde. Also lasse ich das lieber bleiben und fahre nach einer kleinen Fotopause weiter.

Der nächste Ort, den ich ansteure, ist Castelvecchio di Rocca Barbena. Die Gemeinde, die aus einer mittelalterlichen Burganlage hervorgegangen ist, liegt im Val Neva an den Südhängen des Rocca Barbena (1142 Meter Höhe). Die zugehörige Siedlung Vecersio liegt hingegen in einem Nebental. 2007 wurde der Gemeinde die Bandiera Arancione verliehen, die die schönsten DörferItaliens auszeichnet. Zu Recht, wie ich sehen kann. Das Dorf wurde um das Castello dei Clavesana herum gebaut. So wie es aussieht, hat sich seit der Erbauung hier nur wenig verändert. Das Castello dei Clavesana wurde im Mittelalter von der Familie der Clavesana erbaut. 1672 wurde es bei der Belagerung durch genuesischen Soldaten stark beschädigt. Von der restaurierten Burganlage hat man eine besonders gute Sicht über das Dorf, wie auch über das gesamte Tal.

Castelvecchio wird über eine ganz frisch gerichtete Straße erreicht. Gut 200 Höhenmeter sind dabei zurück zu legen. Ein purer Genuss, mit einigen Kehren und nur leicht ansteigend, immer mit einer prächtigen Aussicht, fällt mir dieser

Streckenabschnitt besonders leicht. Im Dorf angekommen halte ich an und sehe mir das Castello und die uralten Häuser eine Weile lang an. Wenn die Zeit reicht, will ich mit den Mädels noch einen Ausflug hierher machen.

Heute ist der bisher heißeste Tag, vierzig Grad zeigt das Thermometer schon jetzt an. Kurvenreich geht es weiter, immer höher. Nach einigen schweißtreibenden Kilometern erreiche ich auf 814 Metern Höhe den Colle Scravaion. Er verbindet Castelvecchio und das Val Neva mit Bardineto und dem Val Bormida. Mal wieder bin ich hier in vollkommener Einsamkeit. Vermutlich wegen der großen Hitze sind auch keine Wanderer zu sehen. Auch der Colle Scravaion ist wie der Colle Caprauna Teil des ligurischen Höhenwanderwegs. Der soll übrigens auch mit dem Mountainbike Spaß machen. Werde ich mir merken.

Die Abfahrt nach Bardineto (711 Meter) macht Spaß und bringt ein wenig Abkühlung. Bardineto zählt mit seinen 660 Einwohnern schon zu den „großen“ Orten hier im Hinterland. Ein Straßencafé hat geöffnet, hier gönne ich mir ein ganz großes Aqua Minerale. Con Gas, herrlich erfrischend ist das!

Toirana

Nun fahre ich aus dem Val Bormida raus, wieder sind einige Höhenmeter auf der erstklassigen Straße zurück zu legen. Zum Glück schlängelt sich die Trasse im Schatten von Buchen und Pinien nach oben, alles andere wäre jetzt fast zu viel. Es ist Bockheiß.

Auf 810 Meter erreiche ich den höchsten Punkt hier, Giogo di Toirano ist der Scheitelpunkt. Nun folgt einmal mehr eine herrliche, kehrenreiche Abfahrt auf einem Straßenbelag vom feinsten. Das Verkehrsaufkommen ist äußerst bescheiden, auf der gut einsehbaren Abfahrt kann ich es richtig laufen lassen. Fast 800 Höhenmeter geht es runter, erst in Toirano auf 40 Meter hat das Vergnügen ein Ende.

Bekannt ist Toirano für die gleichnamigen Grotten „Grotte di Toirano“. Diese liegen in einer kargen Region am Ende des Vallone del Vero, des Tals der Wahrheit, 7 km von der Küste entfernt zwischen den Orten Albenga und Finale Ligure. Die Grotte wird aus etwa 70 Tropfsteinhöhlen gebildet. Zugänglich davon sind die Grotta della Basura und über einen in den Stein gehauenen Verbindungstunnel die Grotta di San Lucia. Ein Besuch in den Grotten wäre jetzt bestimmt nicht das schlechteste, sicher ist es da schön kühl. Ganz anders sieht es hier oben aus. So warm hatte ich es wirklich noch nie!

Würde ich von Toirano den direkten Weg zu unserem Feriendomizil nehmen, wäre der Rest der Tour einfach. Aber in der Hochsaison mit dem Rennrad auf der überfüllten Küstenstraße fahren? Lieber nicht. Der Ausweg führt über Balestrino nach Castelvecchio di Rocca Barbena. Nur blöd das 700 Höhenmeter dazwischen liegen.

Balestrino wurde vor etwa vierzig Jahren wegen eines befürchteten Erdrutsches weitgehend verlassen, der Ortskern ist insofern von verlassenen Häusern geprägt. Die heutigen Einwohner haben sich am Rande der damaligen Ortschaft wieder angesiedelt. Der Ort war übrigens der Hauptdrehort für den 2008 gedrehten Film Tintenherz.

Die schmale Straße steigt sofort nach dem Ortsende von Toirano an, einige Kuven und Kehren später bin ich Balestrino auf 370 Metern. Ich hätte in Toirano die Flaschen füllen sollen, nur ein karger Rest bleibt mir als Notration. Hier gibt es nichts, keine Bar, keinen Brunnen, eben wirklich nichts. Auf der Karte sehe ich, dass auf der weiteren Strecke noch einige Siedlungen liegen. Also hoffen und weiter.

In Poggio dasselbe, auch in Bergala sieht es gar nicht gut aus. Erst in Vecersio entdecke ich eine Bar. Die Inhaber sind gerade mit ihrer Großfamilie beim Mittagessen. Lecker sieht das aus! Ich kaufe mir ein eisgekühltes Coke, eine große Flasche Wasser und noch eine Cola. Ich bin schon in der Abfahrt, von meinem Platz unter einem Sonnenschirm kann ich den weiteren Verlauf der Straße gut erkennen. Was ich sehe gefällt mir gut, die Schinderei hierher ist schon wieder vergessen.

Zweihundert Höhenmeter weiter unten fahre ich in Castelvecchio di Rocca Barbena ein. Auch von dieser Seite her sieht das Dorf beeindruckend aus. Der Rest ist geschenkt, abwärts auf der fantastischen Straße, auf der ich heute morgen hier hoch gefahren bin, und dann auf dem selben Weg zurück zu unserer kleinen „Villa“.



| 94 Kilometer | 2600 Höhenmeter |

Fotos