Rennradtouren im Hinterland der Adria

Barbotto und San Leo

Mercato Saraceno ist schon seit der Antike ein bedeutender Marktort. Durch seine günstige Lage im Tal des Savio ist die Agrarwirtschaft und der Weinbau hier besonders ertragreich. Für die Radfahrer hat dieser Ort allerdings eine ganz andere Bedeutung. Die oft übertrieben schwierig beschriebene Straße zum winzigen Nest Barbotto beginnt hier. Daher ist Mercato Saraceno unter den Radlern hier schon ein Begriff, auch der Granfondo "Nove Colli" führt alljährlich im Mai hier hoch. Genau das wollen wir uns heute antun. Warum weiß niemand so genau, wohl, weil "er" eben da ist, dieser Anstieg. Warum auch nicht.

Bar

Donnerstag, 8. April 2010

Unsere kleine "Reisegruppe" startet heute überpünktlich schon um 9.50 Uhr. Zu sechst sind wir heute, Birgit, Maike, Wolfgang, Andi und Jürgen - der heute unser Reiseleiter ist - und ich noch.

Hey, heute fahren wir mal nicht durch Santarcangelo! Savignano sul Rubicone, der bekannte Weinbauort, ist der erste größere Ort, den wir durchfahren. Ohne Probleme finden wir von hier aus den Weg nach Borghi und sind bald auf der aussichtsreichen Höhenstraße, die von Savignano über Borghi nach Perticara führt. Es wäre eine wirkliche Traumstraße, wenn nur der Belag etwas besser wäre. Aber das jammern hilft ja auch nicht, wir wollten es ja so. Und sooo schlimm ist es dann ja auch nicht, immerhin ist noch keiner wegen der Risse, Schlaglöcher und Bodenwellen gestürzt. Defekte? Auch keine gröberen bisher. Heute plagt mich ein anderes Problem. Die Gegend hier ist ja wirklich ruhig, wenig Verkehr, fast keine Motorräder, eigentlich sind hier nur die Radtouristen unterwegs. Also genau richtig, um ein wenig die Landschaft und die herrlichen Ausblicke, die man auf hier oben hat, zu genießen. Und die Ruhe. Dass Frauen mitteilsamer als Männer sind, ist ja bekannt. Auch dass sie beim Radfahren gerne reden wissen wir alle, jedenfalls ist das im flachen Gelände so. Hier ist es aber nicht mehr flach, ganz im Gegenteil, eine Steigung jagt die nächste. Mich wundert, dass unsere beiden Begleiterinnen selbst in den nun echt nicht harmlosen Steigungen nicht ruhiger werden. Die Form scheint bei beiden zu stimmen. Was die wohl nehmen? Ich möchte die Ruhe geniessen und lasse mich ein Stück zurückfallen, halte zwischendurch mal an und mache Fotos. Herrlich, diese Ruhe. In Sogliano wartet die Gruppe ein wenig sorgenvoll auf mich. Ob alles in Ordnung ist? Ja, schon ... sage ich.

Bei Strigara teilt sich die Straße. Montegelli, da müssen wir hin. Nur blöd, dass es zwei Montegelli´s gibt. Montegelli eben und Bivio Montegelli. Ein kurzes Kartenstudium bringt Klarheit, wir müssen rechts abbiegen. Rein theoretisch sollte es nun bis nach Mercato Saraceno bergab gehen. Tut es aber nicht, zunächst jedenfalls nicht. Eine Berg- und Talfahrt liegt vor uns, mit übelsten Steigungen versehen. Vor vielen Jahren bin ich hier mal hochgefahren, schreckliche Erinnerungen werden geweckt. Damals sind wir von Predappio her gekommen und hatten schon einige Kilometer in den Beinen. Dann das. Aber irgendwann geht es abwärts, steil, sehr steil. Gut 300 Höhenmeter weiter unten kommen wir in Bivio Montegelli an. Der Weg nach Mercato Saraceno ist geschenkt, fast flach geht es bis dahin hin.

Die Abzweigung nach Barbotto führt teilweise auf Pflasterstraße durch den malerischen Ort runter zur Brücke über den Savio. Ich sehe mir das erst mal an, von hier unten hat man einen schönen Blick auf den Ort und die Flusslandschaft. Danach geht es aufwärts, zunächst eher harmlos und schön zu fahren. Ein blühender Obstbaum muss geknipst werden! Bei dieser Gelegenheit ziehe ich auch gleich die Armlinge und die Weste aus, gönne mir ein Sponser-Gel und mache mich auf den Weg. Die Natur ist hier schon viel weiter als sonst gesehen, sattes Grün und blühende Bäume überall. Ein Landschaftsgenuss ohnegleichen. Kurvenreich, mit ein paar Kehren, windet sich die Straße hoch nach Barbotto. Ein Schild zeigt 14 Prozent Steigung an, durchaus ernst zu nehmen. Aber die angekündigten 18 Prozent werden nie erreicht. Was aber nicht weiter schlimm ist.

Oben, aber noch nicht wirklich ganz oben, erscheint dann endlich die "Bar

San Leo

Barbotto". Der härteste Teil der Tour scheint geschafft zu sein. Viel Betrieb ist hier, jede Menge Radler sitzen auf der Terrasse. Der Wirt macht ein gutes Geschäft, die Preise sind gepfeffert, aber die Piadine con Salame ist lecker.

Weiter, Savignano di Rigo wird erst nach weiteren steilen Höhenmetern erreicht. Pinkelpause hinter einem Müllcontainer für die Wolfis. Noch ein wenig Auf und Ab, Perticara ist erreicht! Ohne Pause kommt hier keiner durch. Auch wir nicht. Aber echt nur ganz kurz, dann stürzen wir uns nach Novafeltria runter und gelangen auf die Hauptstraße, die nach Santarcangelo führt. Bei Secchiano biegen wir ab und sind wieder auf einer einsamen Landstraße. San Leo ist unser nächstes Ziel.

Die italienischen Straßenbauer habe ganze Arbeit geleistet, die teilweise toilettengroßen Löcher in der Straße wurden kurzerhand notdürftig geflickt. Sicher nicht dauerhaft. Ein abfahrender PKW, ein schnelles deutsches Fabrikat, kommt mir in einer engen Kurve entgegen, fährt über eines der geflickten Löcher und verspritzt klebrige Kieselsteine. Ich muss stoppen, entferne die Steinchen von den Pneus und fahre weiter. Ein Foto noch, grad schön ist es hier, da holt Birgit mich ein. Ich dachte, ich wäre der Letzte. Aber auch sie hat die Aussicht hier genossen und ein paar Fotos gemacht. Nur wenig später, es ist inzwischen richtig steil geworden, merke ich, dass ich einen Platten im Hinterrad habe. Kann ich beheben, Birgit kann ruhig weiterfahren.

Als ich in San Leo ankomme, sitzen alle schon in der Sonne vor unserem "Stammcafé" und lassen es sich gut gehen. Mich macht ein Bier an, also bestelle ich eins. Lecker, heimisches Produkt. Also können die Italiener auch wirklich gutes Bier brauen, wär hätte das gedacht! Nur die Toilette, ein Drama! Nein, darüber lass ich mich nun nicht aus. Basta.

Das gute an San Leo ist, dass es zum Meer hin, wo wir ja wohnen, fast nur noch bergab geht. Vorbei an Pietramaura sind wir rasend schnell in Pietracuta, ein kurzes Stück noch auf der "Strada Marecchiese" und schon sind wir in Ponte Verucchio. Von hier aus sind es nur noch gut 35 Kilometer bis Torre Pedrera. Mit dem Haaga-Express ist das in einer Stunde lässig zu machen. Auch wenn das Höllentempo, das Wolfgang vorne im Wind anschlägt, nicht so einfach zu halten ist.

Das war es für diese Woche, morgen reisen wir ab. Fazit: Tolle Landschaft, gute Unterkunft, prima Essen, klasse Leute. Tolle Radtouren auf leider miesen Straßen, schade. Es gibt in Italien besseres. Mal sehen, wo wir das nächste mal landen werden ?

| 115 Kilometer | 1660 Höhenmeter |

Fotos