MTB-Transalp 2010

Die dritte Etappe: Heidelberger Hütte-S-Charl

Heute werden wir eine relativ kurze, mit vergleichsweise wenigen Höhenmetern versehene, Etappe haben. Gleich nach dem Fimbapass, dem höchsten Punkt der Tour, geht es lange Zeit bergab. Nur am Ende der Etappe erwartet uns ein längerer Anstieg zum Ziel der dritten Etappe. Heute mal keine Hütte, wir gönnen uns eine Nacht im Crusch-Alba in S-charl.

Fimberpass

Mittwoch, 14. Juli 2010

Auch in der komfortablen Heidelberger Hütte ist ab 22 Uhr Hüttenruhe. So kommt es, dass wir auch heute gut ausgeschlafen schon um sieben Uhr im Frühstücksraum sind. Wie schon in der Konstanzer Hütte gibt es ein gut gedecktes Buffet. Brot, Käse, Wurst, Yoghurt, Müsli, kleine Kuchenstücke, Marmelade, es mangelt wirklich an nichts. Großes Lob an die Küche und das ganze Personal der Hütte! Wir können uns Zeit lassen, die heutige Etappe ist nicht nur die kürzeste, sie wartet auch mit den wenigsten Höhenmetern auf. Kurz nach acht Uhr starten wir.

Das erste Stück zum Fimberpass ist noch schön zu fahren, lange dauert es aber nicht, bis wir am Beginn des Schiebteils sind. Im Vergleich zu den Schiebpassagen zur Leutkircher Hütte und zur Heilbronner Hütte ist das hier aber wirklich einfach. Nicht nur, weil "nur" 345 Höhenmeter bis zum Fimberpass zurückzulegen sind. Es wird nie richtig steil, die Mountainbikes können mehr oder weniger bequem geschoben werden. Immer wieder kommen fahrbare Teilstücke, der Spaßfaktor ist groß. Auch die Ausblicke auf die umliegenden Berge ist hier gigantisch. Das Fluchthorn, 3399 Meter hoch, beherrscht das Bild nach Westen, im Osten präsentiert sich der Piz Tschütta. Auch über 3000 Meter hoch.

Bereits kurz nach neun Uhr sind wir auf dem Fimberpass, 2608 Meter hoch. Höher hinaus werden wir auf unserer Tour nicht mehr kommen. Selbst auf dieser doch nicht unbescheidenen Höhe ist es kein bisschen kalt. Trotzdem ziehe ich vorsichtshalber mal die Windweste an, wer weiß, wie schnell die Abfahrt sein wird? Nach den üblichen Fotos machen wir uns auf die lange Trailabfahrt.

Der erste Teil ist noch einfach, aber schon der Blick runter ins Val Chöglias lässt erahnen, was noch auf uns wartet. Immer steiler geht es abwärts, die Schwierigkeiten nehmen stetig zu. Öfters müssen wir absteigen und die Bikes kurze Stücke schieben. Ein Sturz in den felsigen Steilstufen hätte sicher schlimme Folgen, dieses Risiko wollen wir nicht eingehen. Der allergrößte Teil ist aber fahrbar und macht mächtig Spaß.

Kurz vor der Alp Chöglias, die steilsten Abschnitte der Abfahrt liegen nun schon hinter uns, kommen mir auf dem schmalen Pfad zwei Wanderer entgegen. Wie es sich gehört, halte ich an, um die beiden vorbei zu lassen. Eine gute Gelegenheit, mal nach dem Wolfi zu sehen, der hinter mir sein sollte. Ist er aber nicht. Ich bleibe stehen und warte. Endlich kommt er ins Blickfeld. Ein Sturz, Mist! Eine klaffende, blutende Wunde am Unterarm, auch ein Knie sieht nicht gut aus. Wir fahren runter zur nahen Chöglias Alpe und sehen uns den Schaden an. Das Knie hat nur ein paar Schrammen abbekommen, die Wunde am Arm sieht nicht gut aus. Gut, dass wir Verbandszeug mithaben. Nachdem die Wunde versorgt wurde, richten wir zusammen das lädierte Schaltwerk. Zum Glück ist die Verletzung nicht so schwer, dass ein Weiterfahren nicht mehr möglich wäre. Auch die Schaltung funktioniert wieder.

Also kann es weiter gehen. Das Vergnügen nimmt trotz des Unfalls kein Ende, weitere 300 Höhenmeter Trailabfahrt vom feinsten warten auf uns. Erst vor dem Hof Zuort kommen wir auf einen breiteren Weg, dem wir eine Zeitlang folgen.

Kurz nach dem Hof Zuort verlassen wir den Weg und ein neues Trailvergnügen erwartet uns. An die zwei Kilometer werden es zum Kurhaus Sinestra sein, und die haben es in sich! Zwei spektakuläre Hängebrücken müssen wir überqueren, zu schmal sind sie, um die Mountainbikes mit ihren breiten Lenkern einfach so durchzuschieben. Also das Vorderrad nach oben und immer schön in der Mitte der Brücke bleiben. Andernfalls fängt das Ding an zu schaukeln, und wie! Schön balancierend erreichen wir, einer nach dem anderen, das Ende der Brücke. Dasselbe Schauspiel wiederholt sich bald an der zweiten Hängebrücke.

Hängebrücke

Der restliche Trail bis zum Kurhaus Val Sinestra ist ebenfalls anspruchsvoll, der Sturz ist schon vergessen und der Spaß groß. Am Ende des Trails müssen wir uns entscheiden. Den Pfad links vom Bach nehmen, oder aber den auf der rechten Seite. Wir entscheiden uns, die Brücke nicht zu überqueren und nehmen den Weg links des Baches. Das lässt sich auch gut an. Aber nicht arg lange. Ein Wegweiser weist nach Ramosch. Nicht ganz unsere Richtung. Zwar nicht ganz verkehrt, aber einen unnötigen Umweg wollen wir nun auch nicht machen. Also zurück, rüber über die Brücke und auf dem Schotterweg ganz weit nach oben.

Vor Sent machen wir eine kleine Pause. Die von der Heidelberger Hütte mitgenommenen Brote kommen jetzt gerade recht. Die Gelegenheit ist gut, ein Anruf bei unserer heutigen vorgesehenen Übernachtungsstation wäre nicht schlecht. In der Pension Crusch Alba gibt es noch zwei Einzelzimmer für uns. Aber kein Schaltwerk. Dafür die Telefonnummer samt Adresse eines Radladens im nahen Scuol. Toller Service!

Wir durchfahren Sent und kommen bald in Scuol an, vorbei am örtlichen Krankenhaus fahren wir in den Ort ein. Eine Apotheke wird entdeckt. Wolfgang will nach dem Weg zum Radladen fragen und erkundigt sich nebenbei nach einem Desinfektionsmittel für die Wunde am Arm. Als die Apothekerin sich das ansieht, meint sie, dass das wohl besser genäht werden sollte. Wir fahren zurück zum Krankenhaus, an dem wir ja wenige Minuten zuvor vorbei gekommen sind.

Blöd ist, dass der Patient seine Krankenversicherungskarte zu Hause vergessen hat. In Deutschland hätten wir nun wahrscheinlich ein echtes Problem gehabt. Hier aber nicht. Die Angabe der Personalien reicht den Schweizern. Nach einer halben Stunde kommt die Wirtin der Krankenhauscafeteria zu mir raus und teilt mir mit, dass der Kamerad noch etwa eine halbe Stunde brauchen würde. Ich warte weiter vor dem Krankenhaus, irgendwann kommt ein Pfleger und meint, dass es noch etwa 20 Minuten dauern würde. Das haut dann auch hin, schön verbunden kommt er aus dem Krankenhaus. Genäht wurde nichts, obwohl die Ärztin schon meinte, dass es nicht ganz das verkehrte wäre, die Wunde mit wenigen Stichen zu nähen. Es geht aber auch ohne. Auf jeden Fall ist die Wunde nun gut versorgt und wir brechen auf, um den Radladen zu finden. Auf dem GPS habe ich die Straße schon eingegeben, am Ortsende finden wir dann auch den Laden.

Vor dem Laden montieren gerade zwei Alpenüberquerer neue Bremsbeläge. Hätten sie nicht gedacht, dass so ein Alpencross dermaßen auf die Beläge geht. Und keinen Ersatz mitgenommen. Der Händler kann ein SLX-Schaltwerk und ein XT anbieten. Beim Blick auf den Preis stellen sich uns die Haare auf. Das SLX kostet 109 CHF, das XT noch weitaus mehr. Das SLX tuts, ist ja nur für den Notfall. Immerhin funktioniert die XT an Wolfis Bike ja noch ganz gut.

Val Choeglias

Zehn Kilometer liegen nun noch vor uns, aber auch 600 Höhenmeter. Lange fahren wir auf einer schmalen Asphaltstraße aufwärts. Wir sind im Engadiner Nationalpark, die ersten Kilometer fahren wir durch einen riesigen Arvenwald (das sind Lärchen) , kurvenreich zieht die Straße nach oben und endet dann in einem Schotterweg. Hier gibt es wieder einige Braunbären, Bruno kam von hier nach Bayern, wo ihn dann sein unrühmliches Schicksal ereilte. Kurz vor unserem Ziel machen wir an dem Bach, der schon einige Zeit unser lautstarker Begleiter ist, eine allerletzte kleine Pause und essen den Rest der Heidelberger Brote.

Trotz des ungeplanten Aufenthalts sind wir schon um 16.30 Uhr in S-chanf und checken in unserer einzigen Nicht-Hütten-Übernachtung ein. Die Pension Crusch Alba lässt keine Wünsche offen! Zuerst werden wir zum Bikeabstellplatz geführt, ein Keller, der nachts verschlossen wird. Gleich danach führt uns der Angestellte zum Bike Waschplatz. Sogar das Wasser dreht er uns auf. Auch unsere verschwitzten Klamotten können wir zum Waschen abgeben. Was für ein Service!

Ab 18 Uhr gibt es dann das Abendessen. Ein Fünf Gänge Menü, alles nur vom feinsten. Der Ober bietet uns noch einen Nachschlag an, was wir dankend annehmen. Also noch einmal eine Portion Lammlende, dazu ein oberleckerer Kartoffelgratin. Später noch ein feiner Nachtisch, zum Abschluss eine kleine Käseplatte. Für das alles ist der zunächst hoch erscheinende Preis von 85 CHF mehr als gerechtfertigt. Nur das Weizen ist hier ziemlich kostspielig, aber auch im Konkurrenzbetrieb nebenan ist das nicht viel günstiger zu bekommen.



| 35 Kilometer | 1100 Höhenmeter |

Fotos