MTB-Transalp 2010

Die erste Etappe: Oberstdorf-Konstanzer Hütte

Erster Tag: Von Oberstdorf über den Schrofenpass nach Steeg, weiter nach Kaisers und durch das Almajurtal zur Leutkircher Hütte. Von dort nach St. Anton und ins Verwall zum Tagesziel, der Konstanzer Hütte.

Im Rappenalptal

Montag, 12. Juli 2010

Es ist noch ganz schön kühl an diesem Montagmorgen. Beim Parkplatz der Fellhornbahn bei Oberstdorf laden wir die Mountainbikes aus Wolfgangs Auto und treffen letzte Startvorbereitungen. Es ist erst halb acht Uhr, die seit Tagen andauernde Hitzewelle soll sich fortsetzen. Ein Grund mehr, so früh wie möglich aufzubrechen. Wenig später verabschieden wir uns von Wolfgangs Vater, unserem Chauffeur, und fahren durch das Rappenalptal hin zum Schrofenpass.

Es herrscht noch fast vollkommene Ruhe, nur das Geläut der Kuhglocken unterbricht die Stille. Bald schon wird klar, dass der Montag ein idealer Starttag ist. Wir sind die einzigen Biker weit und breit.

Die erste harte Steigung erwartet uns am Talschluss vor der Speicherhütte, ziemlich mühsam geht es auf grobem Schotter nach oben. Aber auf den vergangenen Kilometern auf dem asphaltierten Alpweg hatten wir ja genügend Zeit, die müden Beine warm zu fahren. Ab der Speicherhütte ist zunächst mal Schluss mit „faul auf dem Sattel rumsitzen“, wie Wolfgang den nun wirklich nicht gerade entspannenden Weg bis hierher scherzhaft nannte. Aber was sagt Mann nicht alles im jugendlichen Leichtsinn!

Der Pfad zum Eingang des Schrofenpasses ist heute nicht fahrbar, der heftige Regen der vergangenen Nacht hat die Spur komplett aufgeweicht. Immer wieder müssen die dort in großen Herden weidenden Kühe „verscheucht“ werden. Zwei Esel, gar nicht störrisch, räumen freiwillig den Pfad. Geht doch!

Von der Mindelheimer Hütte her kommt eine größere Gruppe Wanderer runter, die müssen auch ganz schön früh losgezogen sein. Kurz vor uns gelangen sie auf den Weg zum Schrofenpass. Macht aber nichts, sie sind gut unterwegs und halten uns nicht auf. Das ist gerade am Schrofenpass nicht immer so. Überholen geht nicht, zu schmal ist der Steig. Auch wenn inzwischen einige Stellen am Schrofenpass entschärft wurden, hat er nichts von seinem Reiz verloren. Inzwischen weist sogar ein Schild darauf hin, dass es vorteilhaft ist, sein Bike auf der linken Seite zu schultern und nicht etwa rechts! Nach einer guten halben Stunde sind wir oben, von hier aus sind die Ausblicke in die Allgäuer Alpen noch fantastischer. Vor allem bei diesem nun wirklich herrlichen Wetter! Wenn Engel reisen … !

Die Wanderergruppe hat sich auch auf der Passhöhe niedergelassen. Ihr Guide, ein schon älterer, offensichtlich durchtrainierter Österreicher, will mehr von uns wissen. Woher, wohin, wie das mit dem GPS denn wäre, … . Er führt die Gruppe, so an die zehn Leute, quer durch die Allgäuer Alpen, erfahren wir von ihm. Eine überaus nette Begegnung. Wie aus dem Nichts tauchen zwei weitere Wanderer, die zu der Allgäueralpendurchquerergruppe gehören, auf. Einer davon ist, seine Ausrüstung lässt keinen Zweifel zu, der Kameramann. Er schleppt eine geradezu monströse Kamera samt Dreifußgestell mit sich mit. Baut das alles auf und beginnt zu filmen. Wir finden das schon ganz schön krass, sicher würde es das auch in „klein“ geben. Na ja. Wir müssen die Ausrüstung ja nicht hoch schleppen.

Ich wechsle noch die Batterien am GPS-Gerät, dann verabschieden wir uns und ziehen weiter. Schließlich haben wir noch einen sehr weiten Weg vor uns.

Leutkircher Hütte

Fast auf den Tag genau vor zwei Jahren war ich schon einmal hier, damals hat es hier, nachdem wir vorher bestes Wetter hatten, angefangen zu regnen und drei Tage nicht mehr aufgehört. Heute sieht das ganz anders aus. Sonnenschein, kein Wölkchen ist am Himmel zu entdecken.

Die Abfahrt nach Lechleiten ist mir einfacher in Erinnerung. Oft müssen wir die Räder abwärtsschieben, nur zum Teil kommen wir fahrend abwärts. Im unteren Teil rutsche ich aus und versaue meine Klamotten im matschigen Gelände. Klar, dass über das kleine Missgeschick heftig gespottet wird.

Nach Lechleiten kommen wir auf die Lechtal-Bundesstraße. Entgegen der normalen Route fahren wir aber nicht nach Warth hoch, sondern runter ins Lechtal nach Steeg. Wir wollen ja den Asphaltanteil so gering wie möglich halten.

Blöd, dass ich nach dem Schrofenpass zu viel Luft aus den Pneus abgelassen habe. Auf der Straße kann ich so nicht fahren. Also aufpumpen. Eine anstrengende Angelegenheit mit der stylischen Minipumpe. Aber eine der teuren CO2 Kartuschen zu verschwenden, wäre dann auch schon wieder frevelhaft gewesen. Gut, genug Druck im Hinterrad, nun abwärts nach Steeg.

Nach zehn Kilometern Abfahrt kommen wir dort an. Es ist Mittagszeit, eine Winzigkeit zu essen wäre nun nicht schlecht. Wir fahren an der Abzweigung nach Kaisers vorbei und entdecken so etwas wie einen Edeka. Ich gönne mir eine Brezel und einen Wecken, reichlich belegt mit Fleischkäse. Das Wolferl war nicht so hungrig, aber ne Kleinigkeit hat er sich auch geholt. Und Wasser. Um die Trinkflaschen zu füllen. Danach ein kurzes Stück zurück, dann beginnt die ungeahnt steile Auffahrt Richtung Kaisers.

Einige Kilometer vor Kaisers kommt sie dann, die Abzweigung ins Almajurtal. Die asphaltfreie Variante nach St. Anton. Trotz vieler Recherchen im Internet konnte ich über diesen Teil unserer Route nichts finden. Aber auf der Karte hat das schon ganz gut ausgesehen. Tut es auch, ein herrliches Hochtal tut sich auf, zunächst auf einem Schotterweg, später dann entlang des Baches weglos, kommen wir nach 430 Höhenmetern auf der Bodenalpe an. Eine kleine Pause nochmal. Gulaschsuppe für mich, Wolfi ist wieder mal genügsam, ihm reicht ein Kaffee. Bin ich ein Fresssack? Ach was!

Die Mure vor der Bodenalpe hat es erahnen lassen, dieser Weg wird kein leichter sein! War aber eh klar, auch das Höhenprofil, dass ich bei der Routenplanung erstellt habe, hat gezeigt, dass mit fahren hier wenig gehen wird.

Nach unserer kurzen Pause auf der Bodenalpe (1554 Meter) schieben wir die Bikes zur Leutkircher Hütte (2261 Meter) , also gut 700 Höhenmeter, hoch. Nur unterbrochen von ganz wenigen fahrbaren Passagen. Bei der nun herrschenden Hitze kein Kindergeburtstag. Aber machbar. Und allemal spaßiger, als auf der Flexenpassstraße nach St. Anton zu kommen. Als wir fast ganz oben sind, begegnet uns ein Wanderer. Nicht gerade Bike-Gelände, meint er. Recht hat er. Die letzten Höhenmeter müssen wir die Räder teilweise über Steilstufen hochwuchten, nachklettern, wieder wuchten, klettern … . Dann kommt sie in Sichtweite, die Leutkircher Hütte. Endlich. Die letzten Meter sind dann sogar fahrbar. Zwei Stunden hat die Schieberei gedauert. Nach diesem Kraftakt gönnen wir uns eine Pause. Die können wir uns auch leisten, wir sind gut unterwegs und voll im Zeitplan.

Der Hüttenwirt rät von der geplanten Route ab, durch den nächtlichen Regen wird der direkte Weg zur Putzenalpe wohl nicht zu passieren sein. Also machen wir einen kleinen Schlenker, um runter nach St. Anton zu kommen. Es zeigt sich schnell, dass man gut beraten ist, sich an die Empfehlungen der Ortskundigen zu halten. Selbst der sonst harmlose Weg zur Putzenalpe erweist sich als sehr schwer zu fahren. Tiefe Rinnen hat der Regen gerissen, teilweise ist der Weg einfach weg. Aber sonst – eine Trailabfahrt höchster Güte. Bei St. Christoph, kurz vor St. Anton, kommen wir ins Stanzer Tal und fahren auf der Arlbergstraße nach St. Anton.

Patteriol

Gleich am Ortseingang entdecke ich einen Supermarkt, ich will nach Sonnenschutzcreme schauen. Gibt es da zwar, aber nur eine sündhaft teure. Ich lass das mal bleiben, meine wird schon noch ein oder zwei Tage reichen. Mit einem Mineralgetränk, mit dem wir unsere Flaschen auffüllen, verlasse ich den Laden. Komisches Zeug, Johannisbeere und Apfelgeschmack. Aber wohl eher aus der Chemie. Ich hätte meine Brille mitnehmen sollen.

Um wieder auf den gespeicherten, mühevoll erstellten Track zu gelangen, fahren wir durch den Ortskern von St. Anton. Da geht es zwar recht steil nach oben, aber die gebotenen Ausblicke lohnen durchaus die Mühe. Außerdem ersparen wir uns so den Weg auf der viel befahrenen Hauptstraße. Oberhalb vom Gasthof „Mooser Kreuz“ fahren wir ein ins Verwalltal.

Eine Weile lang geht es sanft ansteigend auf der schmalen Straße nach oben, am Ende des asphaltierten Weges ist nur noch eine Umkehrstelle für den Bus. Ab hier wird es schottrig, und verdammt steil. Entlang der Rosanna geht es weiter bis zur Konstanzer Hütte, die wir um 18.20 Uhr erreichen. Gerade recht zur Essenszeit. Wir melden uns schnell an, bekommen unser Quartier im Schlafraum zugewiesen und hocken uns vor die Hütte. Die Bikes stehen am extra eingerichtetem „Parkplatz“.

Jetzt erst mal was trinken. Das Essen wird auch bald serviert werden. Außer uns sind noch drei Biker aus der Schweiz hier und einige Bergsteiger und Wanderer. Die Schweizer werden wir noch ein paar Mal treffen. Das Essen ist wirklich köstlich, es gibt ein Menü, Steak vom Grill, dazu Bratkartoffeln. Davor eine leckere Suppe, feinen Salat, als Nachtisch Palatschinken. Alles sehr lecker und im Halbpensionspreis von 21 Euros inbegriffen. Auch der „Schlafsaal“ gibt keinen Anlass zum Meckern. Nicht Bett neben Bett, wie oft erlebt, sondern Stockbetten. Mit ausreichend Abstand zum Nachbarbett. Warmwasserduschen sind inzwischen fast schon Standard, die gibt es auch hier. Gegen Extragebühr zwar, aber diesen kleinen Luxus bezahlt wohl jeder gerne. Warmwasser für drei Minuten, das reicht völlig aus.

Wir sind mit dem Essen fertig, plötzlich wird es ziemlich dunkel. Es beginnt zu regnen. Wenig beeindruckend für uns, wir sind Schlimmeres gewohnt. Das ändert sich dann aber ganz schnell, aus dem Regen wird ein echtes Unwetter. Der Hüttenwirt meint noch, dass wir die Räder in den Schuppen stellen können. Machen wir, im strömenden Regen rennen wir zu den kostbaren Bikes und schieben sie schnell in den Schuppen. Der ist schon einigermaßen vollgestellt, wir müssen erst einmal Platz schaffen.

Klatschnass sind wir nach dieser Aktion, nun schnell duschen! In der Gaststube besprechen wir den Verlauf der kommenden Etappe und ziehen Bilanz über die hinter uns liegende. Klar, dass wir dabei sehr ernsthaft geblieben sind. Draußen regnet es in Strömen, aber das wird morgen früh schon weg sein.

Der nächtliche Stromausfall macht uns nichts aus, schließlich habe ich die Stirnlampe, die ich vom Engele bekommen habe, dabei. Verdammt gutes Licht macht die Petzl-Lampe! Der nächtliche Toilettengang wird so gut erhellt. Gute Sache, wenn man sich nicht auf eine Minilampe in Briefmarkengröße verlassen muss. Gell, Wolfi.

Um sieben Uhr gibt es Frühstück. Echt klasse, frisch zubereitetes Rührei für jeden, dazu eine fast unerschöpfliche Auswahl an allem, was der Gaumen begehrt. Tolle Sache.

Gut gestärkt und bestens gelaunt machen wir uns am nächsten Tag bei strahlendem Sonnenschein kurz nach acht Uhr auf den Weg zur Heidelberger Hütte.



| 52 Kilometer | 2605 Höhenmeter |

Fotos