Rennradtouren am Gardasee

Durch das Valpantena nach Fosse

Mit dem Rennrad ins „Land der Pfirsiche“ und nach der Überquerung des Adige direkt in die Weinberge des Valpolicella. Mit einer spektakulären Abfahrt nach Grezzana und weiter durch das Valpantena mit abschließendem Aufstieg nach Fosse auf knapp 1000 Meter Höhe.

Pescantina

Donnerstag, 3. Juni 2010

Nach einem ausgedehnten Frühstück mit den Mädels komme ich erst um 10 Uhr los. Es ist schon ziemlich heiß, die Temperatur nähert sich bereits bei der Abfahrt der 30-Grad- Marke. Den starken Verkehr durch Peschiera kenne ich nun ja schon. Auf dem kurzen Stück, das ich auf der „Gardesana“ fahren muss, ist angesichts der ja schon fortgeschrittenen Uhrzeit auch einiges los. Aber ich habe einen neuen Weg entdeckt, der noch vor den großen Freizeitparks ins ruhige Hinterland führt. So bin ich schon fünf Kilometer nach meinem Start auf stressfreien Straßen.

Etwas mehr ist in Castelnuovo los, aber das geht noch als passabel durch. Nach knapp 20 Kilometern erreiche ich Bussolengo, die Gegend trägt den Beinamen „Land der Pfirsiche“. Auf meiner geplanten Route komme ich heute hier nicht durch. Es ist Markttag, die Innenstadt ist komplett gesperrt. Dank der ausgezeichneten Openstreetmap, die ich mir auf das Garmin geladen habe, ist eine Umfahrung aber völlig problemlos. Super Sache. Die Etsch oder Adige, wie der Fluss hier ja heißt, trennt die Städte Bussolengo und Pescantina. Auf einer großen Brücke überquere ich den hier bestimmt 200 Meter breiten Fluss.

Pescantina ist eine alte Stadt, durch engste Gassen wird der Verkehr geleitet. Alles einspurig, kreuz und quer durchfahre ich den Ort, ich habe die Orientierung völlig verloren. Erst ein maximaler Zoom am GPS bringt Klarheit. Zehn Kilometer später bin ich vor Negrar, ich fahre aber nicht in die Stadt, sondern biege ab in eine winzig kleine Straße. Ein Blick aufs GPS zur Sicherheit, es passt. Die einspurige Straße führt kurvenreich und zunächst nur leicht ansteigend durch die Weinberge. Außer den Reben gibt es hier auch große Kirschplantagen, die bereits reifen Früchte sehen verlockend aus. Aber zum Mundraub fehlt mir die Zeit, außerdem ziehen vermehrt dunkle Wolken auf.

Nun beginnt es zu regnen, erst ganz leicht nur. Weil der Regen inzwischen stärker geworden ist, beschließe ich, die Regenjacke anzuziehen. Eine kleine Bank bei einem Bildstock kommt mir gerade recht. Ach, wenn dieser Zaun nun nicht wäre, würde ich mir doch eine Handvoll der Kirschen holen. Aber lauwarme Apfelschorle aus der Trinkflasche ist ja auch was Leckeres. Jedenfalls immer dann, wenn es dazu keine Alternative gibt.

Gewitter grollen, das aus den umgebenden Bergen zu hören ist, drängt zur Weiterfahrt. Je höher ich komme, umso verlassener und einsamer wird die Gegend. Nur noch ganz selten kann ich, weit Abseits von der nun ganz schmalen Straße, einzelne Häuser erkennen. Hoffentlich endet das nicht im Nirgendwo. Ich komme an eine Abzweigung. Links geht es bergab nach Negrar, geradeaus nach Montecchio, so steht es auf dem kleinen Wegweiser. Also keine Sackgasse. Wieder zeigt sich die Qualität der Openstreet-Map.

Der Regen hat nun auch nachgelassen, nur noch ein kurzes Stück bergauf und ich bin in Montecchio. Das Dorf erscheint ziemlich verlassen, kann sein, dass es daran liegt, dass die Straße das Bergdorf nur streift. Steil geht es nun abwärts in ein Flusstal. Nach der Durchquerung muss ich die eben verlorenen Höhenmeter sofort wieder gutmachen. Nach dieser Steilstrecke erreiche ich erneut eine Abzweigung, das GPS schickt mich nach links. Inzwischen gibt es wieder Sonne satt, die Regenjacke wird verstaut. Die Straße, die vor mir liegt und mich ins Valpantena bringen wird, sieht von hier oben ziemlich abenteuerlich aus. Schmal, mit einem ganz groben Belag und noch nass führt sie runter nach Grezzana.

Der Schein trügt nicht, immer steiler und enger werdend geht es abwärts. Extrem enge und abfallende Kehren und Kurven erfordern immer wieder kräftige Bremsmanöver. Aber mir ist das immer noch lieber, als diesen Weg in der anderen Richtung fahren zu müssen. Ziemlich schwere 300 Höhenmeter wären das. Ich bin froh, dass ich mich entschieden habe, die Tour linksherum zu fahren. Geplant habe ich eigentlich das Gegenteil. Aber gut, manchmal bringt es eben doch Vorteile, wenn man falsch abbiegt. Grezzana ist eine Stadt mit über 10.000 Einwohnern, viel zu sehen bekomme ich davon aber nicht. Die Bergstraße, von der ich herkomme, führt links am Stadtrand entlang und bringt mich, schon nach dem Ortsende von Grezzana, auf die SP14.

Valpantena

In Grezzana gehören Marmor verarbeitende Betriebe sowie Olivenöl- und Weinproduzenten zu den wichtigsten Arbeitgebern. Am starken LKW-Verkehr ist das deutlich zu spüren. Über mehrere Kilometer reiht sich ein Marmor verarbeitender Betrieb an den Nächsten. Riesige Blöcke und Platten des wertvollen Gesteins sind in den Betriebshöfen gelagert. Sicher ein Vermögen, das hier auf seine Verarbeitung wartet. Interessant anzusehen ist das alles, nur die großen Lkws sind lästig. Aber das hat bald ein Ende, nach dem Dorf Lugo habe ich die nun schmäler gewordene Provinzstraße fast für mich alleine.

Mein Vorhaben, die vom Valpantena über Erbezzo nach Monte Tomba führende Höhenstraße zu fahren, verwerfe ich. Hochinteressant sieht die Straße auf der Karte aus. Aber nun von hier unten wieder auf eine Höhe von 1700 Metern zu fahren erscheint mir dann doch etwas zu viel. Nicht nur, weil sich der Himmel zunehmend bewölkt.

Nach kurzem Kartenstudium entscheide ich mich, auf der SP14 zu bleiben und über Fosse zurückzufahren. Nach Fosse sind es ungefähr 15 Kilometer. Und 800 Höhenmeter. Wieder einmal zeigt sich, dass meine Entscheidung richtig war. Die Fahrt durch das Valo della Marciara ist der pure Genuss, auch wenn es ständig bergauf geht. Eine schmale, frisch asphaltierte Straße, führt durch das einsame Tal. Immer wieder kommen mir Rennradfahrer entgegen, Autos gibt es hier nur selten und Motorräder gar nicht. Supersache! Bei Kilometer 60 endet das Valo della Marciara, hier mündet auch die Straße vom Monte Tomba, die ich ja eigentlich fahren wollte, in die Sp14, auf der ich mich gerade herumtreibe. Die immer noch einsame Straße steigt nun kräftig an, bis ich Fosse erreiche, ändert sich das auch nicht mehr. Fosse, ein kleiner, herrlich auf den Hügeln gelegener Ort liegt auf 945 Meter. Also fast 900 Meter über dem Gardasee. Die Aussicht von hier oben wird durch nichts versperrt, eine wirklich fantastische Landschaft bietet sich hier, egal, wohin der Blick geht.

Nur die zunehmende Bewölkung betrachte ich mit ein wenig Sorge, ein Gewitter hier oben wäre nun nicht gerade das, was ich mir wünsche. Aber weil sich die Wolken nur im Norden bedrohlich zusammenballen, gönne ich mir eine Pause. Die Flaschen sind mal wieder leer, die einzige Bar, die ich entdecke, hat zum Glück geöffnet. Draußen trinke ich ein feines Mineralwasser, fülle meine Flaschen noch randvoll und mache mich wieder auf den Weg. Von nun an geht es lange Zeit bergab, 20 Kilometer Rennradvergnügen vom Allerfeinsten auf der Kurvenreichen, mit einigen Kehren versehenen Straße, warten auf mich, verdientermaßen. Erst bei San Ambrogio di Valpolicella, 128 Meter hoch nur gelegen, hat der Spaß ein Ende.

Nun bin ich mir ganz sicher, dass ich nicht zum letzten Mal hier war. Unzählige Straßen durchziehen das östlich vom Gardasee gelegene Gebiet, viel gibt es hier noch zu entdecken. Nach San Ambrogio kommt der weniger schöne, nur wenige hundert Meter lange Teil der Tour auf der SS12, danach fahre ich genussvoll auf Nebenstraßen zurück nach Peschiera.

| 112 Kilometer | 1620 Höhenmeter |

Fotos