Rennradtouren am Gardasee

San Zeno di Montagna, Prada und Passo Telégrafo

Wieder am Lago di Garda! Es ist nun schon September, in einer Ferienanlage haben wir eine schöne Wohnung gebucht. Klar, ein Rennrad ist auch im Gepäck ... Die erste von drei Touren führt auf Nebenstraßen über San Zeno di Montagna zum Passo del Telégrafo und auf der "Gardesana" zurück nach Peschiera del Garda. Eine herrliche Tour mit einer mörderischen Abfahrt.

San Zeno di Montagna

Montag, 6. September 2010

Der Kreisverkehr in Peschiera del Garda hat immer noch seine Tücken. Wieder nehme ich die falsche Ausfahrt und wieder muss ich umdrehen und das kurze Stück zurück fahren, um dann endlich in die kleine Nebenstraße abbiegen zu können. Es lohnt sich, diese Straße führt unterhalb der stark befahrenen „Gardesana" nach Norden. Nur ein paar Hundert Meter muss ich mit dieser Variante auf der SR 249 fahren. Auf der unglaublich breiten Zubringerstraße zum „Sea-World", die um diese Uhrzeit noch in völliger Stille auf den großen Besucheransturm wartet, fahre ich weg vom See, dem so viel ruhigerem, hügeligen Hinterland entgegen.

Der Track führt mich auf einem befestigtem Feldweg durch die ersten Weingüter, die Weinstöcke hängen nun schon übervoll von reifen Trauben. Im Juni, als ich schon einmal hier war, hatten die Früchte noch nicht einmal Erbsengröße. Ich komme an einen großen Hof, der auf den ersten Blick verlassen aussieht. Der schmale Weg führt direkt durch das Gelände, mir wird - es könnten ja bösartige freilaufende Hunde zur Bewachung des Anwesens abgestellt sein - etwas unwohl.

Aber nichts passiert, außer dass der bis hierher asphaltierte Weg in einen Schotterweg übergeht. Das passiert mir ja öfter mal, mich stört das auch nicht. Die modernen Rennradreifen stecken das lässig weg. Auch dieses Mal wird es nur ein kurzes Stück sein, das bei der Modernisierung des Straßennetzes vergessen wurde. So ist es dann auch, nach einem Kilometer komme ich kurz vor Colá wieder auf eine normale Straße.

Meine Route ist gut geplant, auf kleinen Nebenstraßen umfahre ich die kleineren Städte und weiche den Hauptverkehrsstraßen aus. Das ergibt zwar zusätzliche Höhenmeter und Kilometer, aber ich habe ja Zeit. Die Steigungen bleiben moderat, es ist ein echter Genuss, auf diesen durchweg guten, aber sehr verkehrsarmen Straßen mit dem Rennrad unterwegs zu sein. Eine Ausnahme gibt es allerdings, als ich in einen noch kleineren Nebenweg abbiege, erwartet mich eine verdammt steile Rampe, die oben in einem kurzen Stück Kopfsteinpflaster endet und danach wieder auf bestem Belag weiter führt.

Calmasino ist bei Kilometer 16 der erste größere Ort, den ich passiere. Gleich nach dem Ortsende verlasse ich die Provinzstraße und fahre wieder zwischen Weinbergen und Kiwiplantagen weiter nordwärts. San Zeno di Montagna, ungefähr bei Kilometer 40, ist mein nächstes Ziel. San Zeno liegt wunderschön auf 600 Meter Höhe. Prada Alta, mein geplanter Wendepunkt, ist 15 Kilometer von hier entfernt und liegt auf knapp 1000 Meter ü. d. M. Und damit 960 Meter über dem Gardasee.

San Zeno di Montagna liegt fantastisch, die Sicht auf den Gardasee ist grandios. Wieder einmal bin ich abgelenkt und biege eine Winzigkeit zu früh nach rechts ab. Erst, nachdem ich eine heftige Steigung hinter mir habe, bemerke ich den

Fehler. Ein Blick auf das Display des Garmins zeigt, dass diese kleine Straße wohl eine Sackgasse ist. Könnte ja aber auch sein, dass ein kleines Stück des Weges auf der Karte nicht eingezeichnet ist. Die Richtung stimmt jedenfalls, so könnte ich auch wieder auf meine geplante Route kommen. Komme ich aber nicht, dafür treibt sich auf der Straße eine Schafherde herum, die hier oben frei weidet. Und bei meinem Anblick sofort in die Wiesen flüchtet. Bis auf eines der Tiere. Erst als ich ihm ziemlich nahe bin, flüchtet es. Ein Stück fahre ich noch weiter, dann endet die Straße aber wirklich bei einem Bauernhof. Also umdrehen, schnell bin ich wieder in San Zeno. Es ging ja auch nur bergab. Hier finde ich dann auch gleich die richtige Abzweigung, nur ein Haus weiter geht es nach rechts weg.

Es wird nun zusehends steiler, bis nach Lumini geht es im ständigen Wechsel auf und ab. Die Gegend hier ist sehr einsam, in den meist winzigen Dörfern gibt es keine Gelegenheit, die Flaschen zu füllen. Ich hoffe, dass ich in Prada Alta fündig werde. Hier ist aber alles noch verlassener, nur ein paar leer stehende Hotels und eine Villa, das also ist Prada Alta. Dafür ist die Landschaft umso beeindruckender. Rechts der im Nebel liegende Montebaldo, links, ganz weit unten, ist der Gardasee zu sehen. Die Straße wird nun immer schmaler, einspurig geht es mit einer 14 prozentigen Steigung kurvenlos nach oben. Die einzigen Motorräder, die ich seit meiner Abfahrt sehe, fahren gemütlich an mir vorbei. Zwei alte BMW Maschinen mit Kieler Kennzeichen.

Auf der Passhöhe, ich bin am Passo del Telégrafo, der eigentlich kein echter Pass ist, weil er keine Täler miteinander verbindet, mache ich eine kleine Pause. Ein einziges Auto ist hier am Wanderparkplatz abgestellt. Punta Veleno wird das hier genannt, angeblich seit der Giro 1972 hier hoch führte. Die Kontraste hier oben sind extrem, der See liegt im strahlenden Sonnenschein und funkelt herauf, vom Montebaldo ziehen bedrohliche Nebelschwaden herunter. Es wird kühl, ich fahre weiter.

Campione

Eine für Rennradfahrer echte Traumstraße beginnt. Die winzige Straße umfährt in einem Bogen eine tiefe Schlucht, die beiden Motorradfahrer nutzen eine kleine Ausbuchtung für eine Pause. Kurz danach halte auch ich an und genieße die Aussicht über den Gardasee. Der Blick reicht fast über den ganzen See, in der Länge und der Breite ja sowieso. Im Norden kann ich Riva entdecken, im Süden ist die Halbinsel von Sirmione sehr gut zu sehen. Am gegenüberliegenden Ufer ist Campione zu sehen, wie eine Insel erscheint der Ort von hier aus.

Weiter geht es, die beiden Motorräder überholen mich wieder. Ein kleiner Gegenanstieg, der auf über 1100 Meter führt, dann geht es abwärts. Aber wie! Steiler noch als der berühmte Mortirolo oder der berüchtigte Zoncolan geht es hier zur Sache. Nur gut, dass ich in der komfortablen Lage bin, die Sache von der einfachen Seite anzugehen. Mit einem Durchschnittsgefälle von 14,7 Prozent geht es nach unten. Einige Kehren fallen flacher aus, dafür gibt es einige Stellen, die mehr als 20 Prozent Gefälle aufweisen. Einige Stopps sind wegen schmerzender Bremshände nötig, angesichts der Aussicht nicht gerade ärgerlich. Eine lange Gerade folgt, zum ersten Mal kommen mir Zweifel an der Sicherheit von Seilzugbremsen in den Sinn.

Eine Wasserablaufrinne, die quer über die Straße verläuft, erkenne ich gerade noch rechtzeitig. Mit einem beherzten Sprung rette ich mich. Nun vorgewarnt, die sind die noch folgenden Rinnen kein echtes Problem mehr. Hoch fahren werde ich hier niemals. Manche sehen das anders, auf meiner Abfahrt begegnen mir tatsächlich zwei Rennradfahrer. Bei einem knackt der Rahmen verdächtig. Und einer, wie könnte es anders sein, mit Quäldich.de Trikot und Trekkingbike. Ich bin jedenfalls froh, als ich diese Bergabschinderei hinter mir habe. Ein echter Hammer, selbst abwärts!

In Porto di Brenzone komme ich auf die „Gardesana", die erstaunlich wenig Verkehr hat. Ich ändere meine Route und fahre, fast immer flach, am Gardasee entlang zurück. Torri del Benaco, Garda, Bardolino, Lazise. Kaum Verkehr, ob´s am Montag liegt? Schön war das und gut für den Schnitt. An den Wochenenden wird das allerdings anders sein. Aber dafür hätte ich dann ja die Umfahrung über Albisano in petto.

| 105 Kilometer | 1750 Höhenmeter |

Fotos